309 – Triebwagen Berolina

Fahrzeugdaten

Baujahr:1902
Hersteller:Deutsche Straßenbahn-Gesellschaft in Dresden
Sitzplätze:18
EDV-Nummer:201 301-5
Gewicht:10.400 kg
Länge:7.500 mm
Fahrgestell:Berolina neu
Lager:Gleitlager
Achsabstand:2.000 mm
Radreifendurchmesser:820 mm
Motoren:AEG US 341
Motorenleistung:2 x 37,5 kW
Betriebsbremse:elektrodynamische Widerstandsbremse
Feststellbremse:Handbremse als Vierklotzbremse
Fahrschalter:Schleifringfahrschalter AEG FB 18
Foto Triebwagen 309
Foto: Lutz Liebing
Foto Triebwagen 309 Innenansicht
Foto: Lutz Liebing

Fahrzeuggeschichte

Die wechselvolle Geschichte des heutigen Triebwagens 309 begann im Jahre 1902, als die „Deutsche Straßenbahn-Gesellschaft in Dresden“ die Triebwagenserie 300 – 310 baute. Die komplette elektrische Ausrüstung des mit vier Bogenfenstern ausgestatteten Wagens wurde von der Firma Singer geliefert: zwei Motoren S 5 (2x 16,2 kW), zwei Fahrschalter S1 und ein Drehbügel.

Als am 7. Oktober 1902 der Wagen die neue Strecke nach Deuben – heute ein Stadtteil von Freital – eröffnete, ahnte noch niemand, dass dieses Ereignis den Wagen mehr als 60 Jahre später vor der Verschrottung bewahren sollte.

Nur drei Jahre nach Indienststellung wurde das Fahrzeug durch die „Städtische Straßenbahn zu Dresden“ am 1. Juli 1905 übernommen. 1907 erhielt es die Nummer 531. Für die Straßenbahnfahrer verbesserten sich 1909 die Arbeitsbedingungen: zwar musste nach wie vor die Arbeit im Stehen verrichtet werden, mit dem Schließen der bis dahin offenen Plattformen verringerten sich die Witterungseinflüsse jedoch erheblich. Gleichzeitig bekam der Wagen die seitlichen Stadtwappen.

Erst am 12. Januar 1922 erfolgte der gelb-weiße Anstrich der „Städtischen Straßenbahn zu Dresden“. Ein weiterer Umbau fand 1927 statt. Dabei wurden die Dachscheinwerfer durch Ecklaternen ersetzt, die Scheinwerfer in die untere Hälfte der Plattformbleche versetzt und das Fahrgestell getauscht. Die E-Ausrüstung wurde durch eine neue von AEG und Siemens mit Dachwiderständen ersetzt. Am 29. Oktober 1933 erhielt der Wagen den Anstrich der „Dresdner Straßenbahn AG“: creme mit grünem Zierstreifen.

Mit dem Neulack am 30. August 1952 erhielt der Wagen das auf der Fahrzeugschau in Düsseldorf (1938) erstmals vorgestellte Außendesign der Dresdner Straßenbahn. Das waren drei braune Zierstreifen und das Flügelwappen als Ersatz für das Stadtwappen. Gleichzeitig wurde der Drehbügel durch einen Scherenstromabnehmer ersetzt. Nur kurze Zeit später, am 9. Dezember 1952, erfolgte die Umnummerierung in 812II. Offenbar hatte die Neulackierung vom Vorjahr nicht die Qualitätsanforderungen erfüllt. Deshalb wurde ein Auflack des VEB Lack- und Farbenfabrik Coswig aufgetragen, der ebenfalls nicht den erwünschten Erfolg brachte, weshalb am 16. Juni 1955 schon wieder eine Neulackierung durchgeführt wurde. Mit der weiteren Zuführung von Einheitsstraßenbahnwagen aus DDR-Produktion erfolgte nach über 60 Betriebsjahren im Oktober 1965 die Aussonderung.

Beginn als historisches Fahrzeug

Dass dem Wagen nach seiner Abstellung die eigentlich übliche Verschrottung erspart geblieben ist, kann den Mitgliedern der AG 3/7 im DMV „Freunde des Eisenbahnwesens Verkehrsmuseum Dresden“ verdankt werden. Sie retteten Dresdens letzten Bogenfensterwagen vor dem Verschrotten, nachdem sie herausgefunden hatten, dass es sich bei dem Wagen 812II um den Wagen handelte, der 1902 die Plauensche Grundbahn eröffnet hatte.

Im Rahmen der anschließenden Aufarbeitung durch die Mitglieder der AG 3/7 organisierte Martin Metz einen Drehbügel. Die grundhafte Aufarbeitung gestaltete sich wegen des schlechten Zustandes des Fahrzeuges jedoch schwierig: fehlendes Geld und Material sowie die Tatsache, dass die fällige Hauptuntersuchung (HU) nur durch Fachkräfte möglich war, erforderten andere Wege.

Glücklicherweise befand sich zeitgleich die Deutsche Film AG (DEFA) für den Film „Abschied“ nach dem Roman von Johannes R. Becher auf der Suche nach einem Wagen mit Bogenfenstern. Martin Metz lenkte deren Aufmerksamkeit auf den Wagen 309. Der Fortbestand des Wagens war gesichert: Die Verkehrsbetriebe bauten den Wagen in den Zustand der Zeit der Filmhandlung zurück und die DEFA bezahlte anschließend den Rückbau und die HU. Für die Dreharbeiten erhielt der Wagen andere Fahrgestelle und folglich zwei Fahrmotoren des Typs AEG US 341 (37,5 kW), eckige Perrons als Attrappe sowie einen blau-weißen Anstich und die fiktive Nummer 153. Nun in etwa einem Münchner Triebwagen vom Typ A entsprechend wurde unter anderem in der Dresdner Görlitzer Straße mit der Wagenbeschilderung 13 „Schwabing – Odeonsplatz – Hauptbahnhof“ gedreht.

In diesem blauen Anstrich pendelte der Wagen auch noch vom 1. bis 10. Juni 1968 zwischen Fučikplatz, dem heutigen Straßburger Platz, und der Ackermannstraße. Anlass war die Fahrzeugausstellung der Verkehrsbetriebe und der AG 3/7 zum XV. internationalen Modellbahnwettbewerb in Dresden am 1. Juni 1968.

Am 24. April 1970 läutete der bereits 1969 wieder in die Farben der „Deutsche Straßenbahn-Gesellschaft in Dresden“ umlackierte Wagen den Beginn der historischen Straßenbahnsammlung in Dresden ein, als er offiziell als historischer Wagen 309 der Presse vorgestellt wurde. Er behielt seine E-Ausrüstung von 1927 und präsentierte sich im Zustand von 1902. Der erste große Auftritt als historisches Fahrzeug erfolgte am 25. und 26. April 1970, als der Wagen 309 aus Anlass der Eröffnung der Straßenbahn nach Gruna vor 60 Jahren zwischen Innenstadt und Zwinglistraße pendelte. Mit Einführung der EDV-Nummern erhielt der Wagen innerbetrieblich am 1. Oktober 1971 die neue EDV-Nr. 729 001-3, am 1. Januar 1984 die 201 301-5.

Anlässlich der 125- Jahr-Feier der zwischenzeitlich gegründeten Dresdner Verkehrsbetriebe AG (DVB AG) im Jahre 1997 wurde in der Schiffswerft Laubegast der verschlissene Wagenkasten aufgearbeitet und anschließend durch das Straßenbahnmuseum Dresden e. V. komplettiert. Dabei erhielt er auch eine elektronische Weichensteuerung. Der Wagen bekam 1998 den Stromabnehmer der Freitaler Güterlok 3091, der ursprünglich zum Gelenktriebwagen 2503 (ex 1400 Leipzig) gehörte, da mit der modernen Fahrleitungsanlage ein sicherer Fahrbetrieb mit dem Drehbügel nicht mehr gewährleistet war. Anfang 2000 wurde die neue Beschilderung der Linie 22 »Hainsberg – Freital – Altplauen – Fetscherplatz – Altenberger Straße« angebracht. Im Jahr 2008 erhielt er breitere Radreifen, um weiterhin gefahrlos auf den teilweise veränderten Gleiskonstruktionen im Dresdner Netz fahren zu können. Gemeinsam mit dem Beiwagen 87 (Baujahr 1911) verkörpert er die Straßenbahngeschichte Dresdens um die Anfänge des 20. Jahrhunderts und den Beginn der elektrischen Straßenbahn.

Schon gewusst?

  • Im Jahr 1902 eröffnete der Wagen 309 die Straßenbahnstrecke nach Deuben.
  • Der Wagen 309 erlangte 1968 Berühmtheit, als er im Film „Abschied“ nach dem Roman von Johannes R. Becher als Wagen 153 der Münchner Straßenbahn zu sehen war.
  • Mangels elektrischer Fahrtrichtungsanzeige muss das Abbiegen mittels mechanischer Blinkerkelle durch das Betriebspersonal angezeigt werden.  
  • Die offenen Plattformen ohne Türen erfordern es, dass aus Gründen der Sicherheit zu jedem Einsatz stets zusätzliche Schaffner die Plattformen besetzen.

Fahrzeugnummern

  • Ab Inbetriebnahme 1902: 309
  • Ab 1906: 531
  • Ab 9. Dezember 1952: 812II
  • Ab 1968: 153 (fiktive Wagennummer aus München)
  • Ab 1970: 309
  • Ab 1. Oktober 1971: 309 (intern: 729 001-3)
  • Ab 1. Januar 1984: 309 (intern: 201 301-5)

Lackierungen

  • Ab Inbetriebnahme: rot/weiß
  • Ab 1909: seitliche Stadtwappen
  • Ab 12. Januar 1922: gelb/weiß (Städtische Straßenbahn zu Dresden)
  • Ab 29. Oktober 1933: creme mit grünem Zierstreifen (Dresdner Straßenbahn AG)
  • Ab 30. August 1952: creme mit drei braunen Zierstreifen und Flügelwappen (Dresdner Straßenbahn AG von 1938)
  • Ab 1968: blau/weiß (Münchner Straßenbahn)
  • Ab 1968: rot/weiß (Deutsche Straßenbahngesellschaft in Dresden)